Virtual Reality bzw. Virtuelle Realität ist eine spannende Technologie, die aber weder im privaten noch im unternehmerischen Alltag in Deutschland bisher einen hohen Verbreitungsgrad hat. Um einen praxisnahen Einblick in die virtuelle Realität zu bekommen, haben wir den VR-Enthusiasten und VR Jam 2020 Finalisten Dominik Spieler interviewt.
Schön, dass Sie hier sind! Wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist, verwenden wir aus Gründen der Lesbarkeit in erster Linie die männliche Form in unseren Texten. Im Sinne der Gleichbehandlung meinen wir damit selbstverständlich immer alle Geschlechter (m/w/d). Und jetzt wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Im Interview: 8 Fragen an Dominik Spieler zur Virtual Reality
1. Was ist eigentlich Virtual Reality? Und wie sind Sie selbst zur Virtual Reality gekommen?
Dominik Spieler: Virtual Reality (VR) steht für virtuelle Realität, meist über eine Datenbrille. Die Sinne wie Hören, Fühlen und vor allem Sehen werden auf eine so natürliche Weise getäuscht, dass sich die virtuelle Welt real anfühlt und der Träger alles um sich herum nur noch sehr begrenzt wahrnimmt.
Ich selbst bin 2014 über die Gamescom auf Virtual Reality aufmerksam geworden. Dort gab es einen Virtual-Reality-Stand, an dem man in einem Ring mithilfe von Klettergurten „eingespannt“ wurde und darin dann auch laufen konnte (durch eine halbrunde Oberfläche ist man immer wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückgerutscht). Zudem wurde einem dann noch eine Brille aufgesetzt, das war damals die Oculus SDK 2, und so wurde dann physische Bewegung in virtuelle Bewegung übertragen und mein Interesse war geweckt.
Daraufhin habe ich mir das Virtual-Reality-System HTC Vive aus Amerika importiert, weil dieses in Deutschland noch gar nicht verfügbar war. Es war nicht ganz einfach, aber den Aufwand war es mir auf jeden Fall wert.
2. Was ist der Unterschied zwischen Virtual, Augmented und Mixed Reality?
Dominik Spieler: Die verschiedenen Arten der Realität kann man sich wie eine Skala vorstellen. Dabei liegt die „reale Realität“ (es werden keine Sinne getäuscht) auf der einen Seite und die virtuelle Realität (es werden annähernd alle Sinne getäuscht) auf der anderen Seite. Dies kann zum Beispiel neben der Täuschung von Augen und Ohren auch über Gerüche geschehen. Eine gute Täuschung bedeutet damit auch eine hohe Immersion.
Was bedeutet Immersion?
Immersion besagt, wie gut der Mensch die virtuelle Welt wahrnimmt und die reale vergisst. Also wie gut die Täuschung ist. Je besser die Immersion, desto eher vergisst die Person, dass sie gerade in der Realität im Wohnzimmer steht. Als kleines Beispiel: Per Virtual Reality wird ein Abgrund simuliert und bei guter Immersion schlottern der Person die Knie, obwohl sie eigentlich weiß, dass sie bei sich im Zimmer steht.
Die Person will sich dann hinsetzen oder von der Klippe zurücktreten und traut sich nicht, einen Schritt nach vorne zu machen. Ein persönliches Beispiel von Dominik Spieler: “Wenn ich zu lange in der virtuellen Realität unterwegs bin, kann es passieren, dass ich etwas abstelle, obwohl es in der Realität gar nichts zum Abstellen gibt und der Gegenstand fällt dann zu Boden.”
Die Augmented Reality ist eine erweiterte Realität bei der man Zusatzinformationen über eine Brille bekommt, aber noch immer alles um sich herum wahrnimmt. Ein Beispiel für diese Art von Brille ist die HoloLens von Microsoft.
Zudem gibt es Konzepte, in denen virtuelle Räume mit eingeblendeten realen Objekten oder Personen angereichert werden. Über Kameras können somit Abbilder realer Menschen den virtuellen Raum betreten, ohne selbst die virtuelle Welt wahrzunehmen. Dies wird als erweiterte Virtualität bezeichnet.
Insgesamt lässt sich sagen, dass alles was sich innerhalb des Spektrums von der realen Realität bis zur virtuellen Realität befindet als Mixed Reality bezeichnet wird. Es ist also eine Art Mischform der beiden Realitäten.
3. Kann auch Virtual Reality auch einen Mehrwert für Unternehmen bieten und welche Beispiele gibt es dafür?
Dominik Spieler: Natürlich ist Virtual Reality viel im Bereich der Computerspiele in Gebrauch. Es hat aber auch definitiv Mehrwerte für Unternehmen.
Ein Beispiel, was mir einfällt, ist der virtueller Nachbau bereits existierender Lagerhallen, um den Neubau dieser Hallen an einem anderen Standort zu planen. So kann die Halle virtuell geplant werden, ohne dass die Halle oder die Maschinen vorhanden sein müssen.
Ein weiteres schönes Beispiel aus der Augmented Reality ist die Fernwartung über die HoloLens. Das kann man sich wie folgt vorstellen: Wenn ich z.B. meinen Wasserhahn reparieren möchte und es alleine nicht kann, ziehe ich mir die Brille auf und der Klempner sieht durch meine Kamera, was ich sehe, und ich sehe durch sein Augmentieren, was er gerade tun würde und kann es ihm so nachmachen.
Ebenso sind virtuelle Messen eine gute Möglichkeit für Unternehmen, Virtual Reality zu nutzen. So kann eine bessere Interaktion ermöglicht werden, ohne tatsächlich an einem Ort sein zu müssen. Ich laufe also durch mein Zimmer oder Büro und bewege mich so über die Messe und kann dann mit den Menschen sprechen.
Auch der virtuelle Durchgang durch Hotels bietet Mehrwert gegenüber Lösungen wie Google Street View und kann dem Hotel so einen Marketing-Vorteil bringen.
4. Welches Potenzial hat Virtual Reality Ihrer Meinung nach denn für den deutschen Mittelstand bzw. ist Virtual Reality auch etwas für kleinere Unternehmen?
Dominik Spieler: Ob Virtual Reality auch etwas für kleinere Unternehmen ist, hängt stark vom Geschäftsmodell ab. Denn es muss ein entsprechender Mehrwert geliefert werden, um die Kosten zu rechtfertigen.
Ein Beispiel aus dem Bereich E-Commerce, in dem es sich lohnen könnte, ist ein kleiner Kleidungsladen, der durch die Online-T-Shirt-Anprobe per Webcam neue Marktpotentiale erschließt. Zudem kann auch die zuvor beschriebene Fernwartung für kleinere Unternehmen und insbesondere Handwerksbetriebe interessant sein.
Des Weiteren wird es, auch wenn der Zeitraum schwierig abzuschätzen ist, irgendwann so normal sein sich mit „virtuellen Körpern“ zu treffen, wie es heute Alltag ist, Video-Konferenzen durchzuführen. Das ist einfach der nächste logische Schritt, der dann natürlich auch für kleinere Unternehmen interessant wäre. Denn in Zeiten von Corona wissen wir alle, dass eine achtstündige Telefonkonferenz viel anstrengender ist als ein achtstündiges Team-Event vor Ort, weil wir unter anderem mehr Körpersprache wahrnehmen.
5. Wie sieht es denn z.B. mit anderen Branchen aus – wird Virtual Reality auch in der Bildung oder Medizin eingesetzt?
Dominik Spieler: Für den Einsatz von Virtual Reality für die Weiterbildung ist KFC ein sehr gutes Beispiel. Um dort als Kassierer arbeiten zu können, bekommen Sie eine VR-Brille und machen mit dieser einen virtuellen Lehrgang, in dem Sie sich in einem virtuellen Restaurant befinden und sich dort dann mithilfe von Tracking um das Hähnchen, das Kassieren und die Kunden kümmern. Nach Erhalt des Zertifikats im virtuellen Restaurant darf der Mitarbeiter dann auch an die „reale“ Kasse.
Was bedeutet eigentlich ‘Tracking’ im Zusammenhang mit Virtual Reality?
Tracking wird im Kontext von VR genutzt, damit Brille und Software so miteinander kommunizieren, dass das, was der Nutzer tut, richtig übermittelt wird. Zum Beispiel, wenn der Kopf nach rechts gedreht wird, soll die Kamera das zeigen, was weiter rechts zu sehen ist. Ein Typ des Trackings ist das Inside-Out-Tracking. Dabei schießt die Brille Signale nach vorne aus der Brille, die dann die Hände vor dem Gesicht registrieren und von der realen in die virtuelle Welt übersetzen. Zusätzlich gibt es noch eine Art abgespeckter Controller (z.B. Vive Tracker), der an jedem Objekt befestigt werden kann. Anwendungsgebiete hierfür sind z.B. das Finden eines virtuellen Gegenstandes in einem virtuellen Escape Room Spiel durch Anheben oder Verrücken des realen Sofas.
Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Bildung wäre, dass auszubildende KFZ-Mechaniker virtuell Motoren auseinander bauen können. Dabei kann jeder seinen eigenen Motor bearbeiten ohne, dass permanente Aufsicht benötigt wird oder die Chance besteht, dass der Auszubildende etwas kaputt macht.
In der Medizin bietet Virtual Reality zudem Medizinstudenten die Möglichkeit Operationen ohne Risiko und so oft sie wollen zu üben.
6. Was genau sind die Vorteile von Virtual oder Augmented Reality für Unternehmen? Können Sie dazu noch etwas sagen?
Dominik Spieler: Aus den zuvor genannten Beispielen können wir unter anderem die folgenden Vorteile für Unternehmen ableiten:
- Die Fernwartung erspart dem Handwerker Fahrzeit, wodurch am Tag mehr Kundenanfragen bearbeitet und er somit einen höheren Umsatz generieren kann.
- Die Planung mit VR ist beispielsweise viel realitätsnäher als die zweidimensionale Planung am Computer.
- Die Kommunikation mithilfe von VR ermöglicht eine bessere virtuelle Interaktion mit Kunden und Geschäftspartnern.
- Es wird eine Reduzierung der benötigten Reisetätigkeit ermöglicht.
- Es besteht die Möglichkeit, Situationen zu simulieren, die sonst zu gefährlich oder zu teuer wären. Im KFC-Beispiel könnte so z. B. getestet werden, wie der Auszubildende reagiert, wenn das Fett anfängt zu brennen.
- Es kann zum Teil auf den Kauf von „realen Gegenständen“ verzichtet werden. Zum Beispiel für die Auszubildenden KFZ-Mechaniker werden zumindest im ersten Schritt keine echten Motoren benötigt.
- Es wird einem viel größeren Nutzerkreis ermöglicht, alles praxisnah und ohne Risiko auszuprobieren.
7. Sie befassen sich ja viel mit diesem Thema. Setzen Sie selbst Virtual Reality schon in Ihrem Alltag ein?
Dominik Spieler: Ja, ich nutze Virtual Reality viel in meinem Alltag. Ich logge mich häufig morgens in meine digitale Berghütte ein. Dabei nutze ich meine Brille mit Kopfhörern und den zugehörigen Controllern, die auf die Hand gesteckt werden. Anschließend kann ich dann an einem großen Bildschirm auf meiner Berghütte arbeiten. Das ist entspannter, wirkt beruhigend und man hat tatsächlich das Gefühl von frischer Luft. So ist man am Ende des Tages dann auch nicht so erschöpft. Dreimal die Woche richtiger Sport draußen ist trotzdem fest in der Woche eingeplant.
Die virtuelle Berghütte – Arbeitsplatz von Dominik Spieler
Neben dem Arbeiten nutze ich Virtual Reality aber auch zum Spielen von z.B. BeatSaber oder virtueller Escape Rooms. Ich baue auch selbst virtuelle Escape Rooms, daher bin ich immer daran interessiert, wie andere ihre Ideen in VR umsetzen. Hier kann einer meiner Escape Rooms kostenlos heruntergeladen werden
8. Wie sehen Sie die Zukunft dieser Technologie und glauben Sie, dass sie in den nächsten Jahren Einzug in den unternehmerischen und/oder privaten Alltag finden wird?
Dominik Spieler: Das ist meiner Meinung nach sehr stark abhängig von 5G. Deutschland ist im Hinblick auf das Internet ja eher ein Dritte-Welt-Land und ohne starke und flächendecke 5G-Abdeckung glaube ich nicht, dass Virtual Reality Einzug in den Alltag erhält. Denn ohne eine entsprechende Leitung (20-30.000er Verbindung und ein entsprechend guter Ping) ruckelt das Bild und davon wird einem übel.
Ich habe einen Freund in Japan und dort hat fast jeder eine VR-Brille. So werden die kleinen Apartments zumindest gefühlt größer und auch für die Arbeit werden die VR-Brillen dort genutzt. Generell kann man sagen, dass die Virtual-Reality-Technologie dort weiter entwickelt ist (z.B. Brillen ohne Kabel), da die Akzeptanz größer ist und es somit auch einen größeren Markt für entsprechende Lösungen gibt.
Ein weiterer spannender Punkt ist, dass z.B. Microsoft Teams eine Kopie von Discord (einer Kommunikationslösung aus dem Gaming-Bereich) darstellt. Dies zeigt deutlich, dass Gaming eine Inspiration für die geschäftliche Welt und vielleicht auch den Ausgangspunkt einer Innovation sein kann. Bei einem Anteil von 50 bis 70 Prozent der Bevölkerung, die spielen, kann dies schon einen entsprechenden Einfluss haben.
Zunächst einmal sehe ich Virtual Reality im Businessbereich aber eher für die Funktionen bzw. Abteilungen, die es benötigen, denn die Ausstattung ist immer noch relativ teuer. 2000 Euro für eine Profi-VR-Ausstattung muss man sich erst einmal gönnen können und wollen.
Was benötigt man für den Einsatz von VR (Software/Hardware)?
Die Kosten von Virtual Reality hängen natürlich von der Erwartung an die VR Brille ab. Im Folgenden würde ich daher einmal drei Pakete unterscheiden.
Kinder-Paket:
- Google-Cardboard für 5 Euro
- Smartphone wird in das Cardboard gesteckt und damit werden die Augensinne getäuscht. Das geht, da die Smartphones heute entsprechend gute Displays haben.
Basic-Paket:
- z.B. Oculus Quest (Brille ist Standalone, keine zusätzliche Recheneinheit nötig) für 300-400 Euro
- Funktioniert mittlerweile sehr gut. Solche Standalone-Lösungen können zwar nicht allzu viel leisten, aber das, was sie leisten können, leisten sie sehr gut.
- Also wenn ich von sehr gut spreche, spreche ich von 60 Frames pro Sekunde aufwärts, dann merkt man nicht mehr, dass es ruckelt und es wird einem nicht schlecht.
Premium-Paket:
- Hochwertiges Set mit Täuschung von Augen und Ohren und zusätzlichen Controllern in wirklich guter Qualität gibt es ab 800 Euro aufwärts (exklusive Recheneinheit).
- Die Preise im Consumer-Bereich gehen ca. bis 1.500 Euro hoch.
- Im Businessbereich sind auch Sets für 6.000, 9.000 oder sogar für bis zu 18.000 Euro zu bekommen.
Wichtig: Da in die Brille im Premiumpaket keine Recheneinheit integriert ist, wird ein entsprechender Computer benötigt, der die Rechenleistung, die von der Brille gefordert wird, erbringt.
In ganz ferner Zukunft könnte ich mir vorstellen, dass es keine Bildschirme mehr gibt, sondern entsprechende Brillen. Allerdings wird es bei dieser Entwicklung mit Sicherheit Einwände, wie: „Aber dann reden die Leute doch nicht mehr miteinander“, geben.
Herr Spieler, wir möchten uns ganz herzlich für Ihre Zeit und Ihre gewährten Einblicke bedanken!
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